VDSt beim Wappu in Finnland
Liebe Leserinnen und Leser,
Es ist der 26. April 2023, sieben Burschen und ein Fux betreten die Eingangshalle des Willy
Brand Flughafen nahe Berlin. In ihren strahlend weißen Overalls erregen sie die
Aufmerksamkeit von Fluggästen und Personal. Sind es Maler, Mallorca-Touristen oder etwa Aktivisten, welche sich auf die Startbahn kleben wollen? Nein, diese doch etwas lustig aussehenden Männer befinden sich auf ihrem Weg nach Tampere, einer etwa 250.000 Einwohner großen und gut 200 km nördlich von Helsinki gelegen Großstadt. Vieles an dieser Reise wird für Unbeteiligte wohl Fragen aufwerfen, darum nun kurze ein paar Dinge welche man im Voraus wissen sollte.
Zuerst, warum begeben sich Mitglieder des VDSt auf eine Reise nach Finnland? Der Finne und Mitglied von Blebeijit, Henri Lautamäcki wohnte einst als Gast auf dem Haus des VDSt. Mit der Zeit merkte er, dass es doch relativ viele Gemeinsamkeiten zwischen den Belebeijit und dem VDSt gibt. Man schloss über die Zeit eine tiefe Freundschaft und nach seiner Rückkehr nach Finnland folgte der erste Besuch 2017 einiger Mitglieder in Finnland und darauf ein Besuch der Finnen in Dresden.
Warum genau zu diesem Zeitpunkt? Eine finnische Studententradition ist die sogenannte Wappu. Wappu lässt sich wahrscheinlich am besten mit dem amerikanischen Spring Brake vergleichen. Es sind ungefähr zwei Wochen voller Partys und traditionellen Veranstaltungen. Dieses Jahr fanden am letzte April Wochenende die letzten und größten dieser Events statt.
Was sollen die Anzüge? In Finnland und auch Schweden ist es für Studenten selbstverständlich diese Overalls zu Partys und Veranstaltungen, die auf dem Campus ausgerichtet werden, zu tragen. Während Wappu trägt man sie eigentlich die gesamte Zeit. Dabei hat jede Fakultät eine eigene Farbe. Die Anzüge werden mit allerlei Aufnähern geschmückt, welche man auf allen Feiern erhält. Die Verbindungen heben sich dadurch ab, dass sie keine Aufnäher tragen, weshalb auch wir lediglich den Zirkel des VDSt auf dem Rücken trugen. So gekleidet trafen wir am Abend in Tampere an und wurden herzlich am Bahnhof durch zwei Burschen der Blebeijit in Empfang genommen. Unsere Unterkunft befand sich in einem Studentenwohnheim am Campus. Der Campus der Universität Tampere, liegt etwas außerhalb der Stadt im Bezirk Hervanta. Dieser ist deutlich durch den Campus und seine Studenten geprägt und wurde, samt vieler Universitätsgebäude, in den letzten Jahrzehnten förmlich aus dem Boden gestampft. Zur Universität zählen rund 20.000 Studenten und rund 5.000 Mitarbeiter. Nachdem wir unser Quartier für die nächsten fünf Nächte bezogen hatten, zeigte man uns den Clubraum der Blebeijit. Dieser befindet sich in einem Keller auf dem Campus und wird ihnen von der Uni gestellt. Dort machten wir die ersten Bekanntschaften und ließen, gemeinsam mit einigen Aktiven, den Abend bei ein paar Bier am Tresen ausklingen.
Am nächsten Morgen brachen wir zu einer kleinen Wanderung auf. Diese führte uns entlang des Näsiselkä, der nördliche der beiden Seen, zwischen den sich die Stadt befindet. Nach einem kleinen Picknick ging es zurück durch den wunderschönen Fichtenwald, um uns der wohl finnischsten Sache überhaupt zu widmen, dem Saunieren. Dies war keinesfalls das einzige Mal unsere Reise. Dass die Finnen ihre Saunen lieben, ist kein Klischee. An wirklich jedem Ort den wir besuchten, befanden sich Saunen und Leute die sie nutzten. Nach einem Sprung in den eisigen See ging es für uns jedoch zur nächsten Veranstaltung.
Das Näästoberfest ist eine Feierlichkeit veranstaltet durch die Blebeijit im Oktoberfest-Stil. Der Veranstaltungsort war ein Luftschutzbunker auf dem Campus. Für Finnland nicht gerade unüblich. Durch die Nähe zu Russland wurden bis in die 90er Jahre unter vielen öffentlichen Gebäuden große Bunkeranlagen gebaut. Man nutzt diesen Platz vielfältig als Lagerraum, Garage oder Sporthalle.
Nach ein paar Bier, Kartoffelsalat und Würstchen fiel einigen von uns auf, dass nicht nur für uns als Gäste, sondern auch für alle anderen Besucher, Essen und Getränke kostenlos waren. Man erklärte uns, dass das Näästoberfest und auch viele weitere Events, welche die Blebeijit veranstalten, für Studenten gedacht sind, welche Tampii verkaufen.
Tampii ist ein Magazin, welches einmal pro Semester von der Blebeijit designt und verkauft wird. Die Studenten, die Tampiis verkaufen, erhalten keinen wirklichen Lohn, sondern werden zu exklusiven Veranstaltungen eingeladen, für welche sie nicht zu zahlen brauchen. Tampii ist unglaublich populär auf dem Campus. Die Zeitschrift hat einen comicartigen Stil und vieles darin wird von den Mitgliedern selbst gezeichnet. Der Inhalt besteht vor allem aus kleinen Sketchen und lustigen Werbeanzeigen von Firmen, die so um Nachwuchs werben. Jede Ausgabe hat ein eigens Verpackungsdesign und Motto. Der Verkauf dieser Zeitschrift ist die Haupteinnahmequelle der Blebeijit.
Am nächsten Morgen, brachen wir trotz Erschöpfung von einer langen Nacht bereits früh zu einer Stadtführung auf. Tampere wurde 1779 gegründet und erlebte im 19. Jahrhundert einen großen industriellen Boom. Viele der alten Industriebauten sind heute noch erhalten und immer noch in Betrieb oder werden anderweitig genutzt. Zusammen mit modernen Neubauten und älteren Gebäuden aus der Gründerzeit gibt das der Stadt ein reizendes
Flair.
Anschließend genossen wir den Nachmittag mit vielen anderen Studenten auf einer Wiese am Fluss Tamperkoski. Gegen Abend besuchten wir den Partyraum der Blebeijit, das Lupi. Dies ist ein gemieteter Raum nahe dem Stadtzentrum und ist quasi deren Pendant zum Keller. Gut versorgt mit Bier und “Longdrink” überstanden wir dort den Abend. Longdrink ist die Bezeichnung für ein Mischgetränk aus Gin und Grapefruit, es schmeckt äußerst gut und in Finnland ist es so populär, dass es in fast jeder Bar direkt aus dem Hahn kommt. Der Samstag startete damit, dass wir unseren Gastgebern ein wenig unter die Arme griffen und ihnen halfen ein paar Kisten voll Tamppi zu verpacken. Am Abend veranstalteten wir gemeinsam ein Sitsit. Es hat viele Parallelen mit einer Kneipe, doch besitzt einen weniger strengen Ablaufplan und ist immer mit einer Mahlzeit verbunden. Außerdem wird anstatt eines Schlägers ein Zeremonienstab verwendet, aus welchem der Präside trinken muss, wenn er etwas zu sagen hat. Während des Sitsit tauschten wir ein paar Geschenke aus. Wir schenkten jede Menge typisch deutschem Schnaps und zwei Holzkrüge, auf denen jeweils die Zirkel unserer Verbindungen eingebrannt sind. Als Geschenk erhielten wir einen äußerst beeindruckenden Zeremonienstab mit Zirkel des VDSt an der Spitze. Beide Utensilien erfuhren an diesem Abend noch reger Nutzung und wir saßen gemeinsam bis in die frühen Morgenstunden zusammen.
Der Sonntag und der Montag waren die beiden Haupttage und das Ende der WappuWochen. Doch zunächst wollten wir Tampere noch kulinarisch kenne lernen. Es klingt wahrscheinlich komisch, aber das Essen, für das Tampere am meisten bekannt ist, sind Hotwings. Man sagte uns, dass über 60 % der in Finnland verkauften Hotwings in Tampere konsumiert werden. Nach dem unsere Bäuche gefüllt waren, wurde uns am Sonntagabend noch eine hohe Ehre zuteil. Die Blebeijit veranstaltet jedes Jahr am selben Tag eine Art Gedenkveranstaltung zu Ehren des Lupi. Auf dem Ort, wo das ursprüngliche Lupi stand, steht heute das höchste Hotel der Stadt. Im obersten Stockwerk befindet sich heute eine Gedenktafel dafür. So trifft sich zu diesem Tag ausschließlich der engste Kreis der Blebeijit, um vor der Tafel zu knien und die Inschrift laut zu lesen. Alle von uns fühlten sich zutiefst geehrt, dass wir dabei seien durften und waren beeindruckt, was für eine tiefe Verbindung sie zu diesem Ort haben. Doch an diesem Abend stand noch ein anderes Event auf dem Plan, an dem quasi jeder Student in Tampere teilnimmt. Wir brachen gemeinsam vom Hotel zum Fluss auf, wo sich bereits eine unglaublich große Menge Studenten versammelt hatten. Egal wo man auch hinsah, sah man überall nur ihre traditionellen weißen Kappen. Als es Mitternacht wurde, verstummten auf alle, um gemeinsam eine Art Mitternachtsschrei auszurufen. Kurz darauf griffen man eine Flasche Sekt und sprüht diese in die Luft. Alle taten es und bei schätzungsweise 5000 Studenten, welche um uns standen, war es als würde es regnen. Danach strömten alle in Clubs und Bar, um den Anbruch des letzten Wappu-Tages zu feiern. Wir selbst waren noch ein wenig in der Stadt unterwegs, bis wir am frühen Morgen auch in unser Bett fanden.
Doch der eigentliche Höhepunkt war Montag, der 1. Mai. An diesem Tag fand die Fuxentaufe statt. Das wird in Tampere gefeiert, indem alle Erstsemester in den Fluss getaucht werden. Dies geschieht mithilfe von zwei riesigen Kränen, an denen Körbe hängen, worin bis zu 15 Leute Platz haben. Nach und nach werden alle neuen Studenten der Fakultäten in den Fluss getaucht, wobei natürlich wieder viel Champagner fließt. Die ganze Stadt ist auf den Beinen und jeder der einmal studiert hat, trägt die charakteristische weiße Mütze. Organisiert und moderiert wird das von der Blebeijit und einer befreundeten Verbindung. Die Veranstaltung dauert den ganzen Nachmittag und am Abend gibt es eine große Abschlussparty. Zu der machten wir uns, nach ein wenig Vorglühen im Lupi auch gleich auf den Weg. Der Veranstaltungsraum war diesmal ein altes Kaufhaus. Dort hatten wir gemeinsam noch einen unvergesslichen Abend. Am nächsten Morgen hieß es Abschied nehmen. Im Clubraum sammelten wir uns, um zum Flughafen zu starten. Einige der Mitglieder kamen noch einmal vorbei, um sich persönlich zu verabschieden. Die Gastfreundschaft, welche wir erfahren haben, ist unglaublich. Selbst wenn es nicht einmal eine Woche war, hatte man doch viele Freundschaften mit diesen besonderen Menschen geknüpft. Jeder war sich einig, dieser Austausch müsse fortgesetzt werden und so verabschiedete man sich nicht mit einem Lebewohl, sondern versprach sich bald in Dresden wiederzusehen.